Vorwärts mit Reiterin

In dem letzten Beitrag hatte ich beschrieben, wie ich beim Beginn des eigentlichen Einreitens den Schwerpunkt auf das häufige Aufsteigen, das seitliche Biegen des Halses und das Weichen der Hinterhand gelegt hatte. Die ersten paar „Ritte“ hatten wir sehr kurz gehalten, nur wenige Minuten, daher war das dann auch genug Programm. Aber der Plan war ja, Mila aus dem Weichen der Hinterhand heraus durch Klopfen mit dem inneren Bein in eine Vorwärtsbewegung zu schicken. So, wie ich es von unten mit dem klopfenden Steigbügel vorbereitet hatte. Es stellte sich aber dann heraus, dass das gar nicht so einfach war. Vielleicht dachte Mila zu kompliziert um zu verstehen, dass sie einfach nur vorwärts gehen sollte. Vielleicht war sie nicht überzeugt, dass sie mit mir da oben drauf überhaupt normal vorwärts gehen konnte. Wahrscheinlich war es eine Mischung aus beidem. Manche Trainer gehen an dieser Stelle so vor, dass sie das junge Pferd mit Reiter noch einmal an die Longe nehmen. Ich hatte zwar meinen Mann bei diesen ersten Ritten sicherheitshalber dabei, aber dem fehlt die Erfahrung im Longieren. So sagte ich dann meinem Mann, er sollte mal so tun, als würde er Mila führen, und vor uns her ein paar Runden über unseren Longierzirkel gehen. Das klappte dann ganz gut, Mila folgte ihm sofort, und wir konnten unseren Ritt mit einer selbständigen Runde abschließen, bei der mein Mann sich in die Mitte des Zirkels zurück gezogen hatte.

Und so gingen wir dann mit jedem Mal ein kleines bisschen weiter, und verlängerten die Zeit im Sattel immer um ein paar Minuten. Bevor ich mich auf Mila drauf setzte machte ich immer etwas Bodenarbeit mit ihr oder longierte sie ein paar Runden, um ein Gefühl für ihre heutige Stimmung zu bekommen. War sie entspannt, so stieg ich auf, und wir wiederholten zuerst unsere bekannten Übungen. Übten das Losreiten auf der Zirkellinie und das Anhalten mit einem und mit beiden Zügeln.

Als Mila auf der bekannten Zirkellinie entspannt vorwärts lief verteilte ich drei bunte Gummischüsseln (ich hatte gerade keine Hütchen), und wir ritten von Schüssel zu Schüssel. So begann das Lenken. Ich hatte es ja bereits beim Fahren vom Boden vorbereitet, aber von oben war es doch nochmal ein bisschen was anderes. Am Anfang half es Mila, wenn ich die innere Hand deutlich nach innen nahm, also mit einer recht weiten Zügelführung arbeitete. Ich war dabei aber sehr zufrieden mit meiner Entscheidung, diese gesamte erste Einreitphase mit dem Sidepull zu arbeiten. Wenn Mila mich einmal nicht gut verstand, konnte ich ihre Nase mit dem weichen Sidepull auch einmal zur Seite ziehen, ohne ihr dabei Schmerzen zu zufügen. Das kam aber sehr selten vor, meistens war ich selbst überrascht, wie gut sie auf das Sidepull reagierte. Eine weitere Sache, die mich überraschte war, wie schnell Mila sich an die Gewichtshilfen gewöhnte. Am Anfang war ich so darauf bedacht, bei jedem Abbiegen und Anhalten eine klare und eindeutige Gewichtshilfe zu geben, damit sie das von Anfang an richtig lernt, dass meine Trainerin schon meinte: „Übertreib es nicht, die kriegt das schon mit“. Und das stimmte, nach einigen Ritten mit „lenken üben“ ließ sie sich immer leichter und flüssiger auch in engeren Volten und Schlangenlinien über den Platz lenken.

Ein kleines Deja-vu kam dann, als ich Mila zum ersten Mal antraben wollte. Sie war überhaupt nicht davon überzeugt, dass so etwas mit mir da oben drauf funktionieren kann. Ich trieb sie also immer weiter vorwärts bis sie antrabte, und nach einigen Metern Trab blieb Mila sofort wieder stehen. Etwas verdattert, was da passiert war. Und so, wie wir uns vorher ein lockeres vorwärts gehen im Schritt erarbeitet hatten, machten wir es dann bei unseren nächsten Ritten im Trab. Wobei ich darauf bedacht war, Mila nur in ruhigen Situationen anzutraben. War sie aus irgend einem Grund abgelenkt oder nervös, so blieb ich erst einmal bei unserer bekannten Schrittarbeit. Die ersten Male trabte Mila immer etwas zögerlich und fiel nach einer Runde gerne wieder in Schritt. Ich denke, das war auch wegen der neuen, unbekannten Situation und Balance. In der ganzen Anreitphase war ich immer sehr bemüht, in jede Situation Ruhe und keine Hektik zu bringen. Daher hatte Mila eh die Tendenz, im Zweifelsfall stehen zu bleiben, wenn sie sich mit irgend etwas unsicher fühlte. Von daher steigerte ich unsere Trabphasen recht behutsam. Als das klappte, nahmen wir immer mehr Schlangenlinien hinzu, denn auch im Trab möchte man ja lenken können…

Ich wurde manchmal gefragt, ob unsere ersten Ritte „Rodeo waren“. Das waren sie natürlich offensichtlich nicht, sie hat nie Anstalten gemacht, mich runter buckeln zu wollen. Eine Sache, die ich aber beobachtet habe war, dass Mila während den ersten Ritten sehr beeindruckt und etwas eingeschüchtert von der Gesamtsituation wirkte. Als das sich nach den ersten vielleicht 8 Ritten gelegt hatte und sie sich mit der Situation sicherer und selbstbewusster zu fühlen begann, gab es je nach Stimmung immer mal Situationen, in denen „der Teenager hochkam“. Dann testete Sie mal aus, bewusst gegen bestimmte Hilfen zu gehen. Oder sie schüttelte wild ihren Kopf. Oder wenn sie vorwärts gehen sollte, verlagerte sie statt dessen ihr Gewicht auf die Hinterhand und hob sich in der Schulter, so dass ich daran erinnert wurde, dass sie bei den Anfängen unserer Bodenarbeit auch mal aus Trotz gestiegen war. Mila schien dabei immer testen zu wollen, wie souverän ich die Situation handhaben würde, und ob sie nicht vielleicht besser selbst die Kontrolle darüber übernehmen sollte. Das waren dann definitiv die Situationen, in denen ich froh darüber war, dass wir am Anfang so viel seitliches Biegen des Halses und Weichen der Hinterhand geübt haben. Denn darüber hatte ich eine Routine, auf die ich in solchen Situationen zurück greifen konnte. Insbesondere das Drehen der Hinterhand um die Vorhand machte Aktionen wie Steigen im Zweifelsfall unmöglich und bringt Mila in eine Situation, die sie als eher unbequem empfindet.

Aber dieses ab und zu mal auftauchende Austesten von Grenzen war immer die Ausnahme. Die aller meisten Male, die ich mit Mila arbeitete, war sie einfach nur bemüht, alles richtig zu verstehen. Wenn man es im Licht der „Skala der Ausbildung“ sehen möchte, so legte ich in diesen ersten Ritten natürlich den Wert auf Takt und Losgelassenheit. Mila sollte das lockere Vorwärts gehen unter dem Reiter als etwas völlig Entspanntes kennen lernen. Und dabei haben wir dann wieder auf Codys Hilfe zurück gegriffen. Von unseren Spaziergängen mit Mila und Cody wusste ich, dass Mila im Zweifelsfall immer an Codys Seite Sicherheit suchen und finden würde. Von daher habe ich es dann recht schnell gewagt, mich bei unseren Spaziergängen zwischendurch einmal auf Mila drauf zu setzten und sie ein Stück zu reiten, wenn die Umgebung sicher war ohne irgendwelche Straßen. Nach kurzer Zeit machte Mila den Eindruck, als fände sie es schöner, von mir Geritten zu werden, als die ganze Zeit geführt zu werden. Sie schnaubte zufrieden und war so entspannt, dass sie auf die kleinsten Hilfen von mir reagierte. Und wir hatten unsere ersten kleinen Ausritte…

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