erste Schritte

Womit beginnt man, wenn man ein junges Pferd gekauft hat? Bei uns waren es die Schritte, die man häufig unter „Fohlen ABC“ zusammenfasst. Sich überall streicheln und berühren lassen, Vertrautheit mit alltäglichen Gegenständen wie Stricken, Bürsten oder Decken, Aufhalftern, Anbinden und Hufe geben. Diese Sachen hatte Mila schon in ihrem vorherigen Zuhause kennen gelernt, so dass es für uns in erster Linie darum ging, dies in neuer Umgebung mit neuen Bezugspersonen zu wiederholen und zu festigen.

Das erste mal, dass sich die Sache etwas unerwartet entwickelte kam, als Mila mir beim Führtraining zeigte, dass Rechts- und Linkskurven wirklich überhaupt nicht das Gleiche sind. Wenn ich rechts von Mila stand und sie auf einer Volte nach rechts führen wollte, so war das kein Problem. Stand ich rechts von ihr und wollte eine Volte nach links führen, so versuchte Mila mich in der Kurve zu überholen oder mit ihrer Schulter zu blocken. Das gleiche Problem trat auf, wenn ich sie von der linken Seite führte und eine Rechtsvolte machen wollte.

Im Kern bewegte ich mich in Mila herein, forderte sie auf, mir den Platz frei zu geben, den ihre Vorderbeine einnahmen und so vor mir zu weichen. Das sah Mila erst einmal garnicht ein, dass ich als Mensch mir sowas heraus nehmen konnte. Es hat mir sehr deutlich vor Augen geführt, wie zentral wichtig für Pferde die Fragen sind „Wer darf von wem verlangen, dass er sich bewegt?“; „Wer darf wen wegschicken, um selbst den Platz einzunehmen?“; „Wer darf Raum einnehmen, wer muss Raum freigeben?“. Die gesamte Herdenstruktur ist auf diesen Fragen aufgebaut. Wenn man Trainer beobachtet, die das erste Mal mit einem fremden und kaum ausgebildeten Pferd arbeiten, so fangen sie häufig damit an, dem Pferd am langen Seil oder im Roundpen zu vermitteln „Ich darf dich bewegen, und ich darf deinen Raum einnehmen.“ Auf der Klärung dieser Fragen baut der Respekt auf, mit dem das Pferd dem Menschen begegnet. Und ein Fluchttier, das immer potenziell in Lebensgefahr geraten kann, wird nur dann dem Menschen vertrauen, wenn es ihn mit seinen Fähigkeiten respektiert.

Von daher war der Weg, den ich mit Mila eingeschlagen habe sehr viel Bodenarbeit. Entweder durch konstanten Druck über Berührung oder durch rhythmischen Druck mit einem klopfenden Stick habe ich sie vor mir weichen lassen. Erst rückwärts, während ich vor ihr stand, dann die Hinterhand in einer Vorhandwendung, dann die Vorhand in einer Hinterhandwendung. Je besser sie auf leichte Signale hin mit ihrer Schulter zur Seite getreten ist, umso besser hat sie beim Führtraining die Volten akzeptiert. Und trotzdem sind Wendungen „in sie hinein“ für mich eine Art Indikator geblieben, an dem ich weiterhin erkennen kann, ob Mila respektvoll ist, oder ob sie in der Stimmung ist, bestimmte Grenzen doch noch einmal auszutesten.

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